Depressionen

Mein Leben mit Depressionen und Ängsten

Ich habe schon länger darüber nachgedacht, ob Ich zu diesem Thema einen Beitrag schreiben soll. Mir geht es nicht darum, mein Leid zu klagen, nein, vielmehr möchte ich zeigen, wie schwer und steinig es in der Gesellschaft ist, wenn man offen zu dieser Erkrankung steht.

Leider werden Depressionen und Ängste immer noch stigmatisiert. Alle depressiven Menschen haben Suizid Gedanken, sind nur zu bequem, ihren Arsch zu erheben und müssen sich einfach mal zusammenreißen.

STOPP!!! Genau hier passiert schon ein Denkfehler. Depressionen verlaufen bei jedem Menschen anders. natürlich gibt es häufige Symptome, die charakteristisch für dieses Krankheitsbild sind, aber nicht jeder hat die selben Symptome. Ich zum Beispiel habe und hatte zu keinem Zeitpunkt Suizidgedanken. Ich hänge sehr am Leben. Bin ich deswegen weniger Krank als andere? Ja, ich durfte mir tatsächlich schon von sogenannten Freunden anhören, das das bei mir alles nicht so schlimm sei und ich einfach übertreibe, weil ich eben nicht den Drang habe und hatte, meinem Leben ein Ende zu setzen. Solche Aussagen tun weh, und letztlich ist da der einzig richtige Schritt, solche Menschen aus seinem Leben zu streichen, so schwer das auch fällt.

Und ich bin auch nicht einfach faul, weil ich es nicht gebacken kriege, meinen Alltag zu strukturieren oder kleinste Tätigkeiten zu erledigen. Ich fühle mich jedesmal aufs neue beschissen, wenn ich mal wieder nichts geschafft habe, nicht einmal augenscheinlich einfache Dinge. Das ist keine Willkür, ich wäre froh, wenn alles wieder in normalen Bahnen verlaufen würde, aber leider ist es so, mache ich einen Schritt vor, geh ich gleich am nächsten Tag zwei zurück. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich diesen innerlichen Bann, -ja so kann man es durchaus nennen, es fühlt sich an, als sei man an unsichtbare Seile gefesselt, die einem nur einen gewissen Bewegungsspielraum lassen-, brechen könnte.

Es ist nicht nur der aufs minimalste zurückgefahrene Antrieb, der mir tagtäglich zu schaffen macht. Es steckt soviel mehr hinter der Krankheit.

Sozialer Rückzug ist bei mir eine sehr große Baustelle.Seit meiner Erstdiagnose 2009 (Symptome hatte ich schon in abgeschwächter Form das Jahrzehnt davor immer mal wieder) hat sich mein eh schon sehr überschaubarer Freundeskreis immer weiter verkleinert. Und auch wenn man mir das nicht ansieht, tue ich mich sowieso schon sehr schwer neue Kontakte zu knüpfen. Man kann den Leuten eben nur vor den Kopf und nicht hinein schauen.

Ein weiteres Symptom, dass mir ständig zu schaffen macht, ist die Enttäuschung über mich selbst. ich könnte jetzt gar nicht in Worte fassen, was mich konkret so enttäuscht, aber diese innerliche Unzufriedenheit  ist mein permanenter Begleiter.

Weiterhin leide ich seit Jahren an Einschlaf- und Durchschlafstörungen, was mich Psychisch und auch physisch sehr belastet.

Ich will jetzt hier nicht jammern, wie schlecht es mir geht, nein, mir ist durchaus bewusst, dass es Millionen Menschen gibt, denen es soviel schlechter geht als mir, aber ich wollte einfach mal aufzeigen, dass die Stigmatisierung von Depressionen einfach falsch ist. Jeder Mensch ist anders. Jeder Mensch fühlt anders.

Zu meiner rezidivierenden, mittelschweren bis schweren Depression(so die offizielle Diagnose) kommt unter anderen eine generalisierte Angststörung hinzu. Diese hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt.

Viele alltägliche Situationen bereiten mir Schwierigkeiten, ich habe Angst davor, zum teil so schlimm, dass ich absolut überfordert bin und im schlimmsten Fall sogar Panikattacken bekomme. Diese sind auch körperlich spürbar; im Kopf dreht sich alles um die Situation, ich werde fahrig, der Schweiß läuft, ich werde unruhig, mein Herz rast, das Atmen fällt schwer, es ist als würde einer einem die Kehle zu schnüren, Übersprungshandlungen sind nicht auszuschließen. Dieser Zustand kann innerhalb weniger Minuten vorbei sein, sich aber auch über Stunden ziehen. Mir ist es selbst schon passiert, dass ich aus dem Tiefschlaf heraus eine Panikattacke hatte.

Wenn die Panikattacke langsam abgeklungen ist, bin ich sowohl psychisch als auch physisch absolut erschöpft.

Ein heikles Thema möchte ich zum Schluss noch ansprechen: die medikamentöse Therapie. Ich weiß, es gibt viele Leute, die Psychopharmaka für Teufelszeug halten, aber ich muss sagen, auch wenn sie für Außenstehende augenscheinlich bei mir nicht helfen, da ich nach wie vor alle die oben genannten Symptome( und noch einige mehr) habe, ich kann aber auch Erfahrung sagen, dass ich ohne die Tabletten  wie ein Zombie wäre. ich habe es schon versucht, und da war ich von morgens bis abends ein Häufchen Elend.

Ich bin der Meinung, dass jeder für sich selbst entscheiden soll, ob er Psychopharmaka und co nimmt, Leben und Leben lassen.

Liebe Grüße

Martina

P.S.: Ich hoffe, dass kam jetzt nicht falsch rüber. Ich will kein Mitleid, ich will einfach, dass man mich mit diesen Erkrankungen akzeptiert. „Mental Health“ sollte im 21. Jahrhundert kein Tabuthema mehr sein.

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10 Gedanken zu “Depressionen

  1. Ich finde es wichtig über dieses Thema zu schreiben und auch mutig von Dir! 🙂 Niemand, der nicht in Deiner Haut steckt sollte darüber urteilen und Dir „vorschreiben“ wie Du Dich gefälligst zu fühlen hast (Suizid-Gedanken z.B.). Ich selbst komme immer wieder in depressive Phasen und das Gefühl mich praktisch schuldig zu fühlen weil ich dieses oder jenes eben wieder nicht gebacken bekommen hab oder generell nicht mehr machen kann, kenne ich sehr gut. Allein die Tatsache nicht mehr arbeiten zu können und damit praktisch „wertlos“ zu sein… Es hat Jahre gedauert mich damit zu arrangieren. Ich find s immer wieder „toll“ wenn Menschen mit so einem Blödsinn kommen wie : Jeder ist mal müde. Du musst dich einfach mehr bewegen. Du bist krank? Komisch, sieht man dir gar nicht an. Ach du hast dieses oder jenes Symptom nicht? Dann kann es diese Krankheit auch nicht sein. Muss schön sein den ganzen Tag zu Hause zu sein O_o

    Zum Thema chemische Medikamente. Kommen für mich nicht mehr infrage. Aus Erfahrung. Ich möchte die Ursache angehen, nicht an den Symptomen rumdoktern. Schon gar nicht, wenn dabei so massive Nebenwirkungen auftreten. Über kurz oder lang verändert es die Psyche – aber oft nicht zum Positiven. Aus diesem Kreislauf bin ich nach Jahren endlich und endgültig ausgebrochen. Das Ausschleichen war der blanke Horror. Nie wieder möchte ich das erleben. Viele halten das nicht aus. Obwohl ihnen die Medikamente nachweislich nicht mehr helfen oder zu schlimmen Nebenwirkungen führen, ist jeder gute Vorsatz dahin, wenn die „Entzugserscheinungen“ zu schlimm werden. Ich bin fast drei Wochen durch die Hölle gegangen. Klar, jeder muss für sich selbst entscheiden ob er sie nimmt oder nicht. Bei bestimmten Erkrankungen wie Epilepsie ist es auch unumgänglich, wenn man nicht ständig Anfälle haben möchte. Ansonsten sehe ich das nach wie vor sehr kritisch. Zumal viele Wirkstoffe die Nieren langfristig schädigen 😦

    Mein Freundeskreis ist leider auch sehr geschrumpft. Ich habe einfach nicht mehr die Energie Freundschaften intensiv zu pflegen. So gern ich es möchte. Irgendwann ist auch der beste Freund nur noch genervt wenn man ständig Verabredungen absagen muss usw. 😦

    Hast Du schon einmal Rescue Tropfen ausprobiert? Helfen sehr gut bei Mensch und Tier. Wäre doch einen Versuch wert 🙂

    Liebe Grüße, Frauke

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    1. Ich bin ja auch in Thetapie, gehe die Probleme also auch im Kern an. Und das hilft schon.
      Von Rescue Tropfen hab ich schon gehört, ich muss da mal meinen Psychiater drauf ansprechen.
      Langfristig möchte ich schon weg von der Chemie, zumal ich aufgrund physischer Erkrankungen auch noch andere Medikamente nehmen muss.

      Gefällt 1 Person

      1. Rescue Tropfen sind rein homöopathisch und überall erhältlich. Die Reaktion von Deinem Psychiater darauf kann ich mir direkt ausmalen 😉 Mein Tipp, probier sie einfach aus und schau ob sie Dir helfen 🙂

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  2. Hallo Martina,

    guter und wichtiger Beitrag.
    Bin zur Zeit in stationärer Behandlung. Finde gut, dass du beschreibst, wie unterschiedlich die Ausprägungen sein können. Eine komplizierte Sache, die ich versuche in meinem neuen Blog lyrisch durch Texte, Gedichte, Kurzgeschichten und reine Fiktionen zu verarbeiten.

    Ich stehe damit grad am Anfang und suche andere Blogger, die zumindest das selbe Hauptthema haben, um eventuell reicher an Inspiration zu werden.

    Danke also für den Beitrag!

    Tanne

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    1. Hallo Tanne,
      Für deinen stationären Aufenthalt wünsche ich dir viel Erfolg.
      Mein Blog hat ja jetzt kein bestimmtes Haupthema, ich schreibe über alles was mich bewegt. Und die Depressionen und Ängste sind schon seit Jahren etwas, was zu meinem Leben dazu gehört.
      Liebe Grüße
      Martina

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  3. Liebe Sophie
    Das Thema Depression beschäftigt auch mich schon seit vielen Jahren.
    Es ist schwer anders zu sein, als die Gesellschaft es gerne hätte.
    Ich danke dir für deinen Mut, dieses Thema öffentlich zu beschreiben. Wir müssen mit vielen Vorurteilen kämpfen und gegen diese können wir nur mit Informationen und Offenheit vorgehen.
    Bleib stark und geh deinen Weg. Er wird dich irgendwann ans Ziel füren.

    Liebe Grüsse Desirée

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